Freitag, 12. März 2010
"Jeder Mensch ein Farmer" - Oder: Wie man einem toten Hasen den Chelsea Farmer’s Club erklärt


Wie bei Joseph Beuys geht es im Chelsea Farmer’s Club im Kern immer um das eine: um den lustigen Takt des Lebens im Kraftfeld aus Respekt, Form und fröhlichem Gegenwind.

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung des CFC Düsseldorf führten wir ein seltenes Interview mit der Reinkarnation des grossen Schamanen vom Niederrhein.

Mit Rücksicht auf die Privatsphäre des Künstlergeistes haben wir von Bild- und Tondokumenten abgesehen. Hier ein Auszug aus unserem Gespräch:

CFC: Herr Beuys, wenn man Sie heute vorallem als Stilikone verehrt, was sagt Ihnen das über den Zustand unserer Gesellschaft?

Joseph Beuys: Das Wort und der Gestus sind das elementare Material des Künstlers. Objekte im Museum geben Auskunft über etwas, was bereits geschehen ist. Es ist immer wichtig, dass man diese historischen Dokumente wahrnimmt. Wichtig ist es aber auch, dass Kunst aus dem Museum ins Leben tritt. Diese Überlegung hat ja auch zu Fluxus geführt. Ich kann nichts Schlechtes daran finden, dass junge Menschen heute wieder Hüte und Westen tragen. So fliessen Kräfte in den Alltag ein, die im normalen Gebrauch von Wissenschaft oder Kunst fixiert sind oder doch relativ fixiert sind.

CFC: Könnte man dann sagen, dass wir heute, ein Vierteljahrhundert nach Ihrem Tod, dem Ideal der ‚Sozialen Plastik’ ein wenig näher gekommen sind?

JB: Das kann man ganz sicher sagen. Sehen Sie, es gibt die Kräfte, die halten, und die Kräfte, die lösen.

CFC: Man hört ja heute auch oft, dass die Kunst die neue Religion sei. Was sagen Sie dazu?

JB: Religion ist Kunst nicht. Aber der Kunst liegt wie den Religionen das Spirituelle inne. Aber die Kunst ist in Bewegung. Der Religion verwandt ist in der Kunst Begegnung und Respekt. Da spricht etwas zu mir, wenn ich ein Kunstwerk oder ein Objekt betrachte, und das bin ich und zugleich bin ich es nicht. Es ist sowohl ich, als auch grösser als ich. Es ist, was alles verbindet und die Grundlage von Leben und Respekt.

CFC: Herr Beuys, Sie waren zeitlebens ein radikaler Provokateur und trotzdem scheint Ihnen ‚Respekt’ so wichtig. Wie geht das zusammen?

JB: Provokation ist ja zweierlei. Es gibt Provokation, die missachtet, und Provokation, die achtet, die gerade Ausdruck von Respekt ist. Man kann das in der Form nicht immer leicht ausseinander halten, aber man kann den Unterschied fühlen. Dazu muss man den Leuten in die Augen blicken. Man kann ja, wie soll ich sagen, offen sein für das Gefühl, das einem ein Gegenüber vermittelt, noch bevor man seine Form bewertet. Das ist dann der Punkt, von dem man sozusagen von oben auf die Sache schaut, um einen grossen Überblick über die Zusammenhänge zu bekommen.

CFC: Sie haben sich nie getäuscht?

JB: Natürlich habe ich mich auch getäuscht. Aber es geht um das Prinzip. Reinlassen und rausschicken. Das sind wir uns schuldig. Wir sollen uns ja nicht verwalten. Wir sollen alle zum Energieplan des Lebens beitragen.

CFC: Herr Beuys, wir stehen hier in der Düsseldorfer Kasernenstrasse, die Sie auch gut kennen, in unserem neuen Laden. Jetzt ist das alles so kurz vor der Eröffnung noch etwas chaotisch, aber das ein oder andere kann man ja schon erkennen. Gibt es irgendetwas, das Ihnen besonders gefällt?

JB: Ja, das gibt es. Diese kleinen Tiere überall gefallen mir gut. Die sind gehäkelt. Aber die hat auch ein ganz besonderer Mensch gemacht. Da täusche ich mich nicht. Auch Hirsch, Reh und Elch waren mir immer bevorzugte Sujets. Sie kennen doch die Partei der Tiere, die ich für alle niederen und höheren Lebewesen gründete? - Der Kraft dieser Häkelfigürchen und der Bescheidenheit ihrer Mittel, der fühle ich mich verwandt.

CFC: Und die Rolle von Objekten in der Sozialen Plastik?

JB: Gegenstände sind Stellvertreter für Gedanken und Gefühle.

CFC: Wie diese leuchtenden Moleskin-Hosen hier?

JB: Wie diese Hosen. Gerade im Filz ruhen für mich immer die Energien des Geistes und der Fantasie. Diese Energien sind jederzeit abrufbar, wenn es darum geht, die positiven Kräfte des Menschen unter Beweis zu stellen und die Idee der Freiheit, Solidarität und Humanität in die Tat umzusetzen.

CFC: Waren Sie Punk oder Gesellschaftspunk?

JB: Ich war immer Joseph Beuys.

CFC: Herr Beuys, wir danken für dieses Gespräch.


http://www.chelseafarmersclub.de/

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