Mittwoch, 15. November 2006
Allens England - zweiter Teil


Als "Match Point" voriges Jahr in die Kinos kam, rief mein Freund John an: "Kennst Du den Film? Unglaublich! Ich hab ihn zweimal gesehen... und - Mann bin ich froh, dass ich nie eines dieser Maedchen geheiratet habe. Wirklich!!"

Woody Allens "Match Point" handelt von einem mittelpraechtigen TennisPro, dessen Leben sich wunderbar aendert, als er eine junge Frau aus einflussreichem und extrem liebenswertem Hause heiratet. Als Ehemann bleibt er seiner Spielernatur treu und kommt - aus Egomanie und mangels des letzten Quaentchens notwendiger Klasse - an Lebenskreuzungen, die dem Filmpublikum den Atem verschlagen.

Mein Freund John, exzellenter Golfspieler und ehemaliger Konzertpianist, glaubte, Episoden des eigenen Lebens auf der Leinwand gesehen zu haben.
Als junger Musiker hatte John mehr als nur einen Sommer in den Rueckzugsquartieren wohlhabendester amerikanischer Familien zugebracht - als foerderungswuerdiger Pianist, als Hausgast - als Projektionsflaeche romantischer Fantasien von Toechtern und Muettern - von Soehnen und Vaetern mitunter auch.
"Mein Gott, gut dass ich niemals eines dieser Maedchen geheiratet habe", aechzt er jetzt. Und wer John kennt, kann sich ungefaehr vorstellen, wie ihn auch die freundlichsten Erwartungshaltungen nur zerrissen und moeglicherweise in eben jene merkwuerdige Schutzisolation getrieben haetten, die den Filmhelden solchen ungeheueren Bloedsinn machen laesst.

Wer "Match Point" kennt, weiss, wovon hier die Rede ist - und weiss vielleicht auch, dass der Film ein Ausnahmewerk im Schaffenskreis des New Yorker Regisseurs Woody Allen ist. Es ist sein erster ausschliesslich in England gedrehter Film und er hat - vor allem inhaltlich - wahrhaft shakespearisches Format.

Jetzt kommt in dieser Woche Allens Neuer in die deutschen Kinos - "Scoop" - und soviel sei verraten: er ist wieder mit Scarlett Johansson, spielt wieder in England, es geht auch wieder um Mord und... - ein zweiter "Match Point" ist es nicht.

Der fluechtige Zuschauer wird sich wohl unterhalten fuehlen, aber kaum wird der Film das Publikum so in den Bann ziehen wie sein Vorgaenger. Und das ist Allens unzweifelhafter Verdienst.
Mit seinem zweiten Ausflug auf die britische Insel ist Allen klug genug, seinen gewaltigen Vorgaenger in keiner Weise als Massstab zu nehmen. Er ist sogar verwegen genug, ihn mit gleicher Hauptdarstellerin und aehnlicher Thematik zu bestuecken und es gelingt ihm dabei, eine vollstaendig andere Tonart anzuschlagen.

Woody Allen hat Spass an England. Und er hat Spass an Scarlett Johansson.
Er schickt sie als amerikanische Journalistikstudentin in die Welt der britischen Oberschicht und begleitet sie hoechstselbst als kauziger Varietee-Zauberer auf der Jagd nach einem modern-day Jack the Ripper.
Johansson und Allen sind Sherlock Holmes und Dr.Watson - oder besser: sie sind Agatha Christie's Miss Marple unterstuetzt von ihrem verehrten Mr. Stringer auf detektivischer Landpartie.
Das macht Spass. Und Johnansson als Allens Alter-Ego - und umgekehrt - funktioniert gut.

Woody Allen, der wie jeder gute New Yorker seine Stadt eigentlich nie verlaesst, scheint in England eine neue Heimat zu finden. Die Freude an dieser spaete Entdeckung ist auch bei "Scoop" in jedem Detail zu erkennen. Eine Freude, die man gerne mit ihm teilt.


http://www.imdb.com/title/tt0457513/

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Zwei tolle Filme
Ich habe beide Filme gesehen und beide sind herlich. Der eine voll bitterbösen schwarzem Humor und der andere einfach nur schön skurill. Beende wir es mit den Worten des großen Splendini:" You are woderful people, really your are great."

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