Dienstag, 15. August 2006
Back on the book


Anders als bei manchen Anderen, hat er's bei mir nicht ueberlebt. Das Match "Waschmaschine vs. Ipod" hat die Heimmannschaft fuer sich entschieden... - Moege er in Frieden ruhen, der treue Freund.

Als Letztes hatte ich noch Krachts Faserland in Autorenlesung gelauscht, und dann war's vorbei. Mit ner ganzen Fuhre Jeans in die Waschmaschine - 60 Grad - und dann erst tags drauf geleert. Ich glaube, ich hab ihm einfach keine Chance gegeben. Dabei ist son Ding natuerlich toll und es wird auch bald ersetzt, denn es eignet sich ja auch vorzueglich, Buecher zu hoeren, die man nicht lesen will.

Dabei habe ich Faserland natuerlich gelesen. Schon frueher - vor ungefaehr zehn Jahren. Es erschien mir damals im Stil so transparent und vorhersehbar, als habe Kracht diese Selbsttherapie gewaehlt, um sich von seinem AlterEgo Holden Caulfield zu befreien.
Einzig was er ueber Frankfurter Maedchen schrieb, das hat mir schon damals gefallen (... und natuerlich der ganze Konsum-Selbstzerstoerungs-Trip sowieso).

Dass Kracht ein Autor ist, der mehr drauf hat, als ueber die Parties der letzten Woche zu schreiben, ist seit "1979" ohnehin jedem klar. Und als mir Faserland jetzt also wiederbegegnet, faellt mir auf, wie praezise er in der Schilderung Deutschlands ist - und wie ungeheuer die Atmosphaeren unterschiedlicher Orte (Sylt bis Bodensee) durchleuchten. Das ist alles sehr gut gemacht und der Schlussblick von der Schweiz aus auf Deutschland ist ganz eigen gut erfuehlt und wahr.

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Dann habe ich ein anderes Buch gerade gelesen, und das moechte ich ebenfalls sehr empfehlen. Es ist das 2003 in Deutschland erschienene "Eine Frau in Berlin" von einer anonym bleibenden Autorin. Das Buch bekam damals viel Oeffentlichkeit und es gab Spekulation um seine Authentizitaet. Wer es bis heute noch nicht kennt, hat jetzt die Gelegenheit.

Tagebuch schreibt man, um Anker zu werfen. Und hier schreibt jemand Tagebuch - das erste und einzige Mal im Leben - zwischen 20.April und 22.Juni 1945 - als die Rote Armee Berlin besetzt. Die Autorin schreibt in Schulhefte und auf alles Papier, das sie finden kann - so hat man den Eindruck. Und das Schreiben erfuellt seinen Zweck: der Anker haelt sie am Platze. Durch Vergewaltigungen und Massenvergewaltigungen ohne Selbstmitleid oder Mitleid. Das Unaussprechbare in einer draengenden Ruhe und intelligenten Schnodderigkeit niedergeschrieben schafft eine - in allem Kot und Schutt - kristallklare Atmosphaere. Besonders ist auch, wie diese Frau niemals daran zweifelt, durch diesen ganzen Schlamassel durchzukommen, und moeglicherweise gerade deshalb das Gesetz des Handelns zu ihrem staerksten Verbuendeten machen kann. Bei erstem Russenkontakt weiss sie: sie braucht einen Russen, der sie vor den anderen beschuetzt. Als die Kaempfe aufhoeren, ist sie die erste, die sich als Uebersetzerin und zum Arbeitsdienst meldet, und mit Einzug der Alliierten ist sie bereits in die Planung eines Verlages involviert.

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p.s. Dass diese beiden Buecher hier gemeinsam genannt werden, entspricht einzig einem zeitlichen Zufall. Beide allerdings haben das Motiv der ueberraschenden inneren Ruhe - beinahe Teilnahmslosigkeit - bei rasenden aeusseren Ereignissen. Die Entwicklungslinien der beiden Protagonisten sind freilich andere. Krachts Ruhe ist das starre Hoffen auf den eigenen Untergang, das ihn zum zielsicheren Somnambulen in seinem Luxusleben macht.

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